von T. Austin-Sparks
Kapitel 3 - Die göttliche Hilfsquelle
Bei den Überlegungen hinsichtlich Timotheus als ein Symbol der Not, und Gottes Methode, ihr zu begegnen, bemerkten wir auf der einen Seite die Bedürfnishaftigkeit von Timotheus - wie er in diesen Briefen als einer dargestellt wird, der in jeder Hinsicht selbst voller Bedürfnisse ist - und andererseits, die Dringlichkeit, die der Apostel ihm auferlegen wollte, die ungeheure Verantwortung, von der der Apostel aufzeigte, dass sie auf ihm ruhe. Wir beachteten alle Worte der Ermahnung und des Gebietens, die solch große Anforderungen an diesen jungen Mann zu stellen schienen. «O Timotheus...», sagt der Apostel, «ich beschwöre dich im Angesicht Gottes... », und er appelliert mehr als einmal an ihn, «stark zu bleiben», «als ein guter Soldat die Mühsal zu ertragen», «sich zu befleißigen, sich als bewährter Arbeiter für Gott zu erweisen», usw. Und all dies geschah, wie wir sahen, im Licht der Situation, die sich zu jener Zeit abzuzeichnen begann - die schreckliche, schreckliche Christenverfolgung, die bevorstand, der, so bald nach der Niederschrift dieses letzten Briefes, Paulus zum Opfer fiel - und Timotheus wusste das alles. Es wurde in der Tat einem schwachen Gefäß sehr viel auferlegt. Es wurden an einen, der in sich selbst, natürlich gesprochen, nicht vielversprechend war, ungeheure Anforderungen gestellt. Selbst körperlich war er offensichtlich nicht gefragt, denn der Apostel bezieht sich auf seine «häufigen Krankheiten». Offensichtlich unterlag Timotheus einer bestimmten Krankheit, wiederholt und häufig.
Nun, worauf lief das alles hinaus? Das ist der springende Punkt; wir brauchen ihn nur noch einmal zu betonen. Paulus verlangte nicht von Timotheus, mannhafter zu sein, als er war; er verlangte nicht von ihm, eine Art Supermann zu sein. Würden wir so mit einander sprechen, wenn wir ein wenig unten durch müssen, würde uns das nicht sehr weit bringen. Wenn wir in unserer menschlichen Sprache solche Ausdrücke wie «Nun, reiß dich zusammen», oder: «Nun, nichts von all dem, gib nicht nach!», oder: «Denk dran, du bist ein Mann, vergiss nicht, du bist eine verantwortliche Person! Du solltest dich besser zusammennehmen als so!» verwenden - ich weiß nicht, wie weit das uns brächte. Wir würden uns nur noch schlechter fühlen, wir würden uns gründlich über uns selbst schämen; wir würden als so äußerst wertlose Kreaturen sehen, dass wir am liebsten aus allem heraus möchten. Und vielleicht hätte sich Timotheus auch so gefühlt, hätte Paulus so gehandelt. Er hätte sagen können: «Nun, offensichtlich hält Paulus nicht viel von mir; er hat eine sehr schlechte Meinung von mir. Ich tauge überhaupt nichts - am besten gebe ich gleich alles auf».
Aber genau so handelte Paulus nicht. Es ist wichtig, sich dieses große Merkmal seiner Briefe zu merken; vielleicht werden wir später in einem andern zusammenhang gründlicher darauf eingehen. Paulus sagte nicht, Timotheus solle ein Supermensch sein - denn es wäre ein Supermensch nötig gewesen, um dieser Situation standzuhalten, diese Last zu tragen, diesen dringlichen Anforderungen zu begegnen - oder um mehr Mannhaftigkeit an den Tag zu legen, als er AUS SICH SELBST HERAUS konnte. Paulus wollte Timotheus die ganze Zeit zeigen, dass sein ganzes Leben und Werk, seine Dienst und seine verantwortliche Position auf einer göttlichen, übernatürlichen Basis beruhte. «Die Gabe Gottes, die in dir ist...». Paulus bezieht sich mehr als einmal in seinen Briefen darauf (1. tim. 4,14; 2. Tim. 1,6). «Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben» (2. Tim. 1,7). Lest diese Stellen nochmals durch und merkt sie euch. Die Kraft, die Timotheus haben sollte, die Fähigkeit, die er zum Tun und zum Erdulden sein eigen nennen sollte, war eine Kraft und eine Fähigkeit, die aus keiner Quelle in ihm selbst stammen konnte. Er konnte, und Paulus rief ihn dazu auf, es zu sein - ein Supermensch sein, aber nicht in sich selbst. «Sei stark durch die Gnade, die in Christus Jesus ist» (2. Tim. 2,1). Er war wirklich dazu berufen, weit mehr zu sein und zu tun, als wozu irgend eine menschliche Person je fähig wäre; zu viel mehr, als was selbst für die besten aller Menschen möglich wäre, selbst für die stärksten und weisesten aller Menschen - wie viel weniger dann ein Timotheus! Doch der Herr auferlegt uns nie eine Unmöglichkeit. Wenn er auferlegt, wenn er beruft und fordert, dann verschafft er auch die Mittel dazu: Sein ist die Kraft, Sein ist die Weisheit.
Nun, wir wollen das nicht weiter verfolgen; ich bringe es auf diesen zentralen Punkt. Obwohl es für euch und für mich schwer sein mag, es zu glauben, besonders in gewissen Zeiten, trifft es zu, dass in einem gewissen, sehr realen Sinne jeder Christ ein Supermann oder eine Superfrau ist. Von jedem Christ wird erwartet, dass er etwas ist, das keine andere Person in dieser Welt, auch nicht in ihrer besten Form, sein kann. Von jedem Christ wird erwartet, dass er eine Erkenntnis und ein Verständnis von Dingen hat, die keine andere Person, auch nicht die weiseste, haben kann. Jeder Christ sollte tun, was keine Person außerhalb von Christus je zu tun imstande ist. Und von jedem Christen wird erwartet, dass er durch Dinge hindurchgeht, durch die niemand sonst hindurch kommen kann, zumindest auf die Weise, wie es von einem Christen erwartet wird. An Christen werden folglich Anforderungen gestellt, die übermenschlich sind. Aber dem Christen sind auch Ressourcen geschenkt worden, die übernatürlich sind. Das Christenleben ist übernatürlich, von Anfang bis Ende.
Es ist sehr wichtig, dass junge Christen dies erkennen, aber auch wir alle sollten dies uns in Erinnerung rufen. Wenn die ganze Geschichte zu Ende erzählt worden ist, wenn wir erkennen, wie wir erkannt worden sind, wenn wir alles deutlich sehen und nicht mehr dunkel wie in einem Spiegel, dann wird der eine Gedanke, der uns überwältigen wird, der sein: «Die unendliche Kraft des Allmächtigen Gottes war nötig, um das zu vollbringen, und ich wusste es nicht!» Schon unsere Errettung erforderte dies. Die Errettung ist nicht jene kleine Sache, von der, so fürchte ich, so viele Leute glauben, dass sie es sei, oder die sie daraus machen. Wie schlicht auch der Wendepunkt erscheinen mag, es liegen weite Immensitäten an göttlicher Kraft hinter der Wiedergeburt einer einzigen Seele. Und um diese Seele dann auch schließlich noch durchzubringen, hinein in seine Gegenwart, verherrlicht, dazu ist «die überragende Größe seiner Kraft uns gegenüber» nötig. Gott sei Dank, diese Kraft ist erhältlich!
Nun, ist es nicht so, lieber Christ? Ihr seid lange genug unterwegs gewesen. Ihr wisst sehr wohl, dass ihr (allein) nicht durchgekommen wärt; ihr hättet sagen können: «Es führt zu nichts, ich gebe auf», und hättet über einen anderen Kurs nachdenken oder nach einem Ausweg suchen können - als die Situation so schwierig, so beschwerlich war. Tatsächlich hätte es noch schlimmer sein können: Möglicherweise seid ihr tatsächlich zusammen gebrochen und seid in Stücke gegangen. Und doch, trotz allem, trotz euer selbst, trotz des Teufels und all seiner Mächte, seid ihr noch da! Auf wessen Rechnung geht das? Nun, etwas kommt dafür auf, das nicht in uns ist, und in diesem Sinne haben wir eine ungeheuere Macht von Opposition und Antagonismus überwunden, so dass wir zu einem glorreichen Ende durchgekommen sind. Ich habe oft gesagt, als wir an diesem Punkt waren, wir sollten einander anschauen und sagen: «Nun, Bruder, wir sind immer noch da! Das hast nicht erwartet, oder? - aber wir sind da!» Ja, sogar Timotheus wird da sein. Mit all dem, dem er sich stellen musste, und mit all dem, was ihm auferlegt war, konnte er dennoch «gestärkt werden durch die Gnade, die in Christus Jesus ist». Das hebt uns über die Ebene irgend einer menschlichen Möglichkeit.
Lasst uns daran denken, dass von uns als Christen erwartet wird, dass wir etwas anderes, und etwas viel Wunderbareres sind als irgend welche Leute in dieser Welt, und zwar in jeder Hinsicht. Dieses Wunder mag geheim und verborgen sein, für die Welt nicht ersichtlich, aber es ist da. Möge der Herr uns helfen, das zu ergreifen, was er uns dargeboten hat - denn es ist wunderhaft. «Ergreife», sagt Paulus, «das ewige Leben».
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