von T. Austin-Sparks
Kapitel 1 - Die Verstärkung des geistlichen Wesens
Im Leben des Volks Gottes, ob individuell oder gemeinschaftlich, gibt es ständig zeiten der Krise oder Wendepunkte. Das Alte Testament beschreibt viele solcher Zeiten spezieller und besonderer Gefahr im Leben des Volkes Gottes, und es zeigt, wie Gott gehandelt hat, um der Situation in solchen Zeiten zu begegnen. Das war auch in der Geschichte der Gemeinde so, und zwar immer wieder, seit den Zeiten des Neuen Testamentes; und es trifft ebenso zu auf das Leben jeder örtlichen Gruppen von Gotteskindern. Wenn aus irgend einem Grunde die Zustände kritisch geworden sind und man an einem Wendepunkt angelangt ist, dann ist es in solchen Zeiten sehr wichtig, zu wissen, wie der Herr einer solchen Situation und einer solchen Not begegnen möchte.
Darf ich euch an eine Vorsorge erinnern, die der Herr bei der Konstruktion der Stiftshütte in der Wüste getroffen hat? Der Herr gab die Anweisung, dass bei der Errichtung der Bretter der Stiftshütte an den Ecken extra Bretter eingefügt werden sollen, um die Eckpunkte zu verstärken. Natürlich sind Ecken stets heikle Punkte, gefährliche Punkte; Wendepunkte sind stets mit großen Möglichkeiten befrachtet. Ihr gelangt an einen Punkt, wo eine Wende vollzogen werden muss, wo ein neuer Kurs eingeschlagen werden soll, und dieser Wendepunkt muss mit viel Weisheit und Sorgfalt ausgehandelt werden. Etwas Besonderes muss da dazukommen, um es zu bewältigen. Und in dieser unendlichen Weisheit Gottes - der Anerkennung nicht nur der Schwäche eines Eckpunktes in natürlichen Dingen, sondern auch der Gefahren bei Wendepunkten im geistlichen Leben - hat der Herr Vorsorge getroffen und trifft sie noch; er deckt sie, er macht Vorschriften in Bezug auf sie. Wie bei den Brettern der Stiftshütte muss an diesem delikaten und gefährlichen Krisenpunkt eine echte Verstärkung eingebaut werden.
Lasst uns bloß einen oder zwei Augenblicke bei der Stiftshütte verweilen; wir werden gleich wieder auf sie zurückkommen. Ihr wisst, dass sie, im Typus gesehen, der Schrein von Gottes Zeugnis war. Sie wurde «Zelt des Zeugnisses» oder «Das Zeugnis» genannt. Im Typus war sie das, was Paulus in seinem Brief an die Kolosser das «Geheimnis des Christus» nennt - der Schrein des Geheimnisses Christi, in den kein natürliches Auge eindringen kann. Und an diesem Schrein des Zeugnisses Gottes bezüglich seines Sohnes, Jesus Christus, gibt es diese Eckpunkte; und weil dieses Zeugnis involviert ist, sind sie, wie wir gesagt haben, unsichere Stellen oder Zeiten. Wenn hier etwas falsch läuft, wenn an diesem Verbindungspunkt etwas falsch läuft, hat es sehr ernste Auswirkungen auf die Zukunft. Die nächste Phase der Dinge wird durch das in Mitleidenschaft gezogen, was geschieht, wenn wir an dieser Ecke umdrehen, und zwar genau dadurch, inwieweit wir diese gegenwärtige schwierige Situation in den Griff kriegen - ob in unserem Leben, oder im Werk Gottes, oder in der Geschichte des Volkes Gottes, lokal oder generell. Die Zukunft ist davon betroffen.
Wir sind an diesen Punkt gelangt: Hier führen uns die Bretter hin, und von diesem Punkt an muss ein neuer Kurs eingeschlagen werden; doch muss dieser neue Kurs sehr sehr sorgfältig abgesichert werden. Alles, was in der Vergangenheit gewesen ist, all die Mühe, die Arbeit, das Leiden und die Kosten, kann durch irgend welche Schwäche, an diesem kritischen Punkt durch einen Mangel an Sorgfalt in Frage gestellt werden, wenn wir zu diesem Entschluss kommen. Die ganze Zukunft kann unsicher, schwach, von Bedauern umwölkt werden, wenn dieser Wendepunkt ungesichert ist.
Nun, mit einem solchen Wendepunkt in der Geschichte der Gemeinde und mit der Art, wie der Herr sie anordnet, werden wir konfrontiert, wenn wir die beiden Briefe von Paulus an Timotheus aufgreifen. Wir befinden uns hier an einem Hauptwendepunkt in der Geschichte der Gemeinde - ein Wendepunkt, der mit dringenden aktuellen Fragen befrachtet ist; und eben diese Fragen haben ihren Schatten auf alle späteren Jahrhunderte geworfen bis zum heutigen Tag. Wir müssen wissen, worin Gottes Vorsorge bestand - und dies bleibt als seine Vorsorge erhalten - um dem zu begegnen, was an der Wende der Straße damals hereinkam. Denn die Werte, die uns hier in diesen beiden Briefen gegeben werden - und ihr werdet sie nie mehr bloß «kleine Briefe» nennen, falls ihr dies überhaupt je getan habt - waren dazu gedacht, dieses ganze Zeitalter abzudecken, weil der Heilige Geist, der diese Briefe durch Paulus entstehen lies, die weitreichenden Auswirkungen dessen voraussah, was damals geschah. Und was hier von allgemeiner und umfassender Bedeutung ist, hat seine Anwendung auf all jene kleineren Krisen, die in unserem persönlichen Leben, oder in unserem Zusammenleben als Volk Gottes auftreten.
Eine solche Krise nun war der Anlass, warum Paulus diese beiden Briefe an Timotheus schrieb. Und darf ich es nochmals aussprechen - denn ich möchte diese sehr sehr wichtige Sache klarstellen: Es handelt sich hier um ein einschließliches und umfassendes Beispiel für alle Krisen im geistlichen Leben, ein Beispiel im Prinzip wie der Natur nach: d.h. es besitzt alle Gesichtspunkte jeder Art von geistlichen Krisen, und deshalb enthält es auch alle Methoden und Mittel, die Gott benutzt, um einer geistlichen Krise zu begegnen. Wir befassen uns nicht bloß mit der Kirchengeschichte - wir befassen uns auch mit unserer eigenen Geschichte. Wir brauchen eine Behandlung an genau diesem Punkt in unserem eigenen geistlichen Leben.
Was ist denn, umfassend betrachtet, die göttliche Methode, mit der er irgend einer kritischen Situation begegnen? Es ist die Verstärkung fundamentaler und wesentlicher Realitäten. Und genau das enthalten diese beiden Briefe. Die Verstärkung der Eckbretter, die innere Stärkung wie auch die äußerliche Bestärkung von fundamentalen und wesentlichen Realitäten, wenn ihr wollt, denn Paulus gebietet und ermahnt hier - das ist Gottes umfassende Methode, irgend einer Bedrohung, irgend einer Möglichkeit, irgend einer konkreten Veränderung im Lauf der Dinge zu begegnen. Und es gibt einen fundamentalen Wesenszug eines wahren Christentums, und das ist «Geistlichkeit» - seine wesentlich geistliche Natur. So besteht also Gottes Methode, wenn es darum geht, irgend einer kritischen Situation im Christenleben zu begegnen, darin, wahres geistliches Wesen zu bestärken oder wiederherzustellen.
Das Christentum, etwas vollkommen GeistlichesDenn echtes Christentum, von seinen ersten Anfängen an, während seines ganzen Wachstums, bis zu seiner vollen Ausgestaltung ist etwas vollkommen Geistliches. Ein wahrer Christ ist grundsätzlich und wesentlich, im Grunde seines Wesens und seiner Existenz, eine geistliche Person. Unser ganzes Wachstum in der Gnade ist nicht ein Wachstum an Zeit, an Jahren, im Erwerben von Kenntnissen über die Dinge Gottes. Echtes Wachstum ist schlicht unser eigenes geistliches Wachstum, und vor Gott gibt es keine andere Statur, kein anderes Wachstum. Gott nimmt sich unendliche Mühe, dafür zu sorgen, dass unser Wachstum ein geistliches Wachstum ist. Und die Erfüllung und Vollendung des Lebens eines Christen ist eine vollkommen geistliche Angelegenheit. Denn die Vollendung ist ein geistlicher Leib. «Wenn es einen natürlichen Leib gibt, gibt es auch einen geistlichen Leib... aber nicht das Geistliche ist das erste, sondern das Natürliche» (1. Kor. 15,44.45). Diese Worte beziehen sich, wie ihr wisst, auf den Auferstehungsleib. «Es wird gesät ein natürlicher Leib; auferweckt wird ein geistlicher Leib» (V. 44). So ist also eine geistliche Person nötig, die diesen geistlichen Leib bewohnt; und wenn der geistliche Leib die Vollendung des Christenlebens ist, dann möchte der Herr nicht eine armselige, kleine geistliche Person haben, die einen vollendeten Leib bewohnt; er möchte, dass wir erwachsen sind, so dass die Vervollkommnung des Christenlebens mit seiner Vollendung übereinstimmt: Sie muss geistlich sein.
Alles andere im Christenleben ist geistlich. Wie das Volk ein geistliches Volk ist, da es ja aus dem Geist geboren wurde, so ist auch sein Werk und sein Dienst geistlich. Es geht nicht nur darum, wie viele Dinge wir tun, sonder um die geistliche Qualität dessen, was wir tun. Es kann ein ungeheurer geistlicher Wert im Innern einer kleinen «Sache» stecken, die im Heiligen Geist getan wird, während sehr wenig bei einer Unzahl fieberhaften Aktivitäten herausschaut in dem, was gemeinhin christliche Arbeit genannt wird. Alles wird im Himmel aufgrund seines geistlichen Wertes beurteilt. Der Kampf ist geistlich; ihr braucht nicht daran erinnert zu werden. «Unser Kampf richtet sich nicht gegen Fleisch und Blut, sondern... gegen die geistlichen Mächte der Bosheit...» (Eph. 6,12). Unsere Erkenntnis und unser Verständnis als Christen ist geistlich. Unsere Gemeinschaft ist geistlich - unsere Beziehung zu einander ist eine geistliche Beziehung, in der Einheit des Geistes.
Alle Regierungsgeschäfte unter Christen sind geistlich. Sie geschehen nicht autokratisch, auch nicht offiziell - sie sind geistlich. Sehr, sehr wenige Christen sind heute imstande, zwischen einer menschlichen und einer geistlichen Regierung im Hause Gottes zu unterscheiden. Sie verwechseln die beiden, und damit verursachen sie viele, viele Komplikationen. Ausübung von Autorität im christlichen Bereich ist eine geistliche Angelegenheit. Führung ist geistliche Führung «geführt durch den Geist» (Röm. 8,1-4). Die Methoden und Ressourcen der Gemeinde, von Christen, sind geistliche Methoden und Ressourcen. Das alles verkörpert die umfassende Wahrheit, dass die fundamentale Realität des echten Christenlebens «Geistlichkeit» ist: d.h., dass es ganz aus dem Heiligen Geist besteht.
In einem der abschließenden Kapitel der Prophetie Hesekiels (47,1-12) tritt der Strom ins Blickfeld - der Strom, der vom Heiligtum ausgeht und auf seinem Wege immer breiter und tiefer wird - und auf dessen Ufern Bäume wachsen, die jeden Monat Früchte tragen und deren Blätter niemals welk werden. Ich glaube, dass dies ein Schattenwurf, eine Vorausdarstellung dessen ist, was wir im Buch der Apostelgeschichte finden. Die Bäume sind Menschen, von Gott gepflanzt, die ihr Leben aus dem Strom Gottes beziehen. Wie brach doch dieser Strom in den Tagen der Apostelgeschichte aus dem Heiligtum hervor! Und wie sehen wir die Menschen, die damals von Gott am Ufer des Stromes gepflanzt wurden; und die Frucht - wie überreich war doch die Frucht! Bäume, durch himmlisches Leben erhalten und angetrieben, die ein himmlisches Zeugnis weiter tragen: Mit einem Wort - ein geistliches Volk, Männer und Frauen, deren Leben, Ressource und alles der Geist Gottes war - denn es war der Geist Gottes, der am Tage von Pfingsten aus dem Heiligtum hervorbracht. Das Zeugnis Gottes dem ganzen Strom entlang erfordert geistliche Leute, die von geistlichen Ressourcen leben, und genau das haben wir hier.
«Geistlichkeit» muss wiedergewonnen oder verstärkt werdenNun, alle Probleme im Innern des Christentums - und «Christentum» ist ein großer Begriff; er umfasst eine ganze Menge; ihr könnt ihn lokalisieren und personalisieren, wenn ihr wollt - alle Probleme im Christentum sind auf einen Verlust oder Mangel an «Geistlichkeit» zurückzuführen. Gottes Methode, um irgendwelche Schwierigkeiten in uns zu überwinden, sei es persönlich oder in der Gemeinschaft, lokal oder in seiner (weltweiten) Gemeinde, ist stets eine Bestärkung des geistlichen Lebens. Wir kommen nie über irgend eine Schwierigkeit hinweg, ohne dass unser geistliches Leben irgendwie gestärkt wird. Is es etwa nicht so? Wenn wir uns einer bestimmten Krise gegenübersehen, dann sind wir nicht imstande, die Sache zu flicken, sie zu korrigieren, irgend etwas von außen her zu unternehmen - wir müssen in Bezug auf sie eine neue geistliche Position erlangen. Wir werden nie durchkommen, es sei denn, wir haben eine neue Position bekommen, oder unser geistliches Maß hat sich vermehrt.
Es ist töricht, den Versuch zu wagen, irgend ein Problem in der weltweiten Christenheit, örtlich, oder in uns selbst, auf irgend eine andere als auf Gottes Weise loszuwerden: indem wir erkennen: «Dies ist eine Krise - alles in der Zukunft hängt davon ab, wie wir um diese schlimme Ecke, diese schwierige Situation herum kommen - und alles Vergangene ist gefährdet, wenn wir diese geistliche Situation nicht triumphierend überstehen». Wie aber soll das geschehen? Durch ein zusätzliches Brett - durch die Verstärkung dessen, was in der Vergangenheit gegen die Zukunft war, indem wir alles intakt bewahren durch eine Stärkung unseres geistlichen Lebens. So ist die göttliche Sicherung, oder das göttliche Mittel für jedes Problem die Verstärkung, oder die Wiedergewinnung der «Geistlichkeit».
Betrachtet doch nochmals jene Bretter der Stiftshütte. Zunächst einmal bestanden sie aus Akazienholz, das für seine große Stärke und Dauerhaftigkeit berühmt ist. Zweitens hatten sie eine beträchtliche Höhe - zehn Ellen - was höher ist als jeder Mensch von Natur aus: Es ist also etwas, das eine größere Statur hat, als wir, ihr und ich, natürlicherweise sind - die wir das Haus Gottes darstellen. Drittens standen sie aufrecht, sie standen auf ihren Füßen. Diese drei Dinge sind sehr bedeutsam. Hier geht es um etwas, das Stärke benötigt, und zwar mehr als nur gewöhnliche Stärke, um dauerhaft zu sein. Hier geht es um eine Statur, die mehr benötigt als nur gewöhnliche menschliche Statur, um sich erheben zu können. Und es ist etwas, das wirklich auf seinen Füßen stehen muss, fest eingesetzt.
Nun habt ihr das Neue Testament in diese wenigen Dinge gepackt. Und diese Briefe an Timotheus, von denen wir kurzfristig abgewichen sind, sind randvoll von diesen Dingen. Wie wunderbar kann man diese Dinge am Anfang sehen, nicht wahr? Denn ihr wisst, schon am Anfang der Kirchengeschichte musste eine ungeheure Ecke genommen werden. Das Kommen Christi stellte die größte Krise der ganzen Geschichte dar. Es war ein universaler Wendepunkt; von jenem Zeitpunkt an fingen die Dinge an, sich zu verändern. Und die diese ungeheure Krise wurde ganz am Anfang die Gemeinde geworfen; es war eine heikle, gefährliche, schwierige Zeit. Alle folgenden Generationen wurden davon gefärbt, wie die Gemeinde sich in jenen kritischen Tagen verhielt und durchkam.
Beachtet die Stärke der menschlichen «Bretter»! War es bloß menschliche Stärke? Denkt doch, wie Petrus nur ein bisschen vorher war: Wie viel konnte er ertragen bei jenem Feuer im Vorhof, als die Magd mit ihrem Finger auf ihn zeigte? Er brach ganz einfach darunter zusammen. Doch betrachtet ihn - und all die andern - jetzt. Stehen diese Männer auf ihren Füßen? Stehen sie aufrecht? Nicht nur stehen sie im Herrn auf ihren Füßen - sie stellen auch andere Menschen auf die Füße! Seht jenen armen Kumpel, der all die Jahre bei der Türe lag, unfähig, seine Füße zu benutzen (Apg. 3). Petrus nimmt ihn bei der rechten Hand, und schon steht er auf - er steht richtig auf seinen Füßen! Dasselbe passierte später nochmals (Apg. 14,8): Sie stellten die Leute auf ihre Füße!
Und aus all dem wuchs der reiche Dienst hervor, den wir im Neuen Testament haben in Bezug auf das «Aufgebautwerden». Aufgebaut werden bedeutet ganz einfach aufstehen. Ihr und ich, wir taugen nichts für das Zeugnis des Herrn, es sei denn, wir stehen geistlich auf unseren Füßen, aufrecht. Wenn wir unsere Füße verlieren, wenn wir zusammenbrechen, wenn wir loslassen, bedeutet das, dass das Zeugnis abgesunken ist. Wenn ihr eure Füße verloren habt, wenn wir über eure Füße gestolpert seid, oder wenn ihr für längere Zeit nicht mehr auf euren Füßen gestanden habt, oder wenn ihr lange Zeit auf und ab gegangen seid, dann benötigt ihr diesbezüglich eine Krise. Dann müsst ihr um die nächste Ecke gehen. Alles, was gewesen ist, liegt mit dieser gegenwärtigen Situation auf der Waagschale; alles, was der Herr in der Zukunft haben möchte, wird möglich gemacht, oder es wird alles falsch sein, es sei denn, ihr geht schnell um die nächste Ecke und bekommt eure Füße im Herrn wieder zurück.
Ihr wisst, was ich mit «die Füße im Herrn wieder bekommen» meine: Es ist das, was Paulus «volle Gewissheit» - «Gewissheit» - nennt, gemeint ist in Bezug auf unsere Errettung. Denn diese Bretter, wie ihr wisst, gründeten sich auf zwei grundsätzliche Dinge - zwei Sockel - aus Silber. Nun, Silber bedeutet Errettung, und das doppelte Zeugnis unter ihren Füßen unterstrich oder verstärkte das zweifach. Zwei ist immer ausreichend für das Zeugnis, nicht wahr? Und genau darin befanden sie sich. Wir benötigen Gewissheit über unsere Errettung, Sicherheit in dieser Angelegenheit. Solange das nicht so ist, gibt es keine Stärke und kein Aufrechtstehen; es gibt keine Ausdauer, keine Statur; kein Maß. Und das gilt für viele anderen Dinge abgesehen von unserem Fundament; für unsere Zuversicht, unseren Glauben, unsere Gewissheit mit dem Herrn. Das sind Dinge, die einen echten Christen wirklich charakterisieren sollten. Das sind die Bestandteile eines geistlichen Menschen oder einer geistlichen Gemeinde.
Nun, wenn ihr den Briefen von Paulus an Timotheus gemäß gedacht habt, sofern ihr diese Briefe überhaupt kennt, kehrt das nicht alles in euer Gedächtnis zurück? Der Herr von Paulus ließ ihn diese Briefe über genau die Dinge in einer Zeit ungeheurer Krisen schreiben. Die ganze Krise im Christentum, an diesem Wendepunkt seiner Geschichte, konzentrierte sich in diesem jungen Menschen. Diese Briefe an Timotheus sind in ihrer Bedeutung nicht geringer als heilszeitmäßig (dispensational). Sie enthalten sehr viel mehr als jene beliebten Texte: «Du nun erdulde die Widrigkeiten als ein guter Streiter Jesu Christi» (2. Tim. 2,3); oder: «Kämpfe den guten Kampf des Glaubens» (1. tim. 6,12); oder: «damit der Mensch Gottes ganz zubereitet sei, zu jedem guten Werk völlig ausgerüstet» (2. Tim. 3,17); oder: «wird er ein Gefäß zur Ehre sein... zu jedem guten Werk zubereitet» (2. Tim. 2,21).
Wie lieben wir doch diese Fragmente! Nun ja, doch vergesst nicht, dass jedes von ihnen eine Krise bezüglich des Heilszeitalters zum Hintergrund hat, denn, solange ihr das nicht erkennt, habt ihr den Wert dieser Fragmente noch nicht richtig erfasst. Warum sollen wir «die Widrigkeiten als ein guter Streiter Jesu Christi erdulden»? Weil die Heilszeit davon abhängt, Timotheus! Das ist nicht nur für dich, sondern für die Zukunft. Warum sollen wir «ein Gefäß zur Ehre» sein? Warum sollen wir «das ewige Leben ergreifen», warum «den guten Kampf kämpfen»? Nun, es stehen sehr weitreichende Dinge auf dem Spiel, bis ans Ende der Geschichte des Christentums - genau deshalb! Diese Briefe wurden nicht an Timotheus geschrieben einfach um des Timotheus willen, für die damalige Zeit, um diesem jungen Kumpel in seinem eigenen Christenleben zu helfen. Und gewiss wurden sie auch nicht geschrieben, um uns nette Fragmente für unser eigenes Christenleben zu liefern. Diese Briefe wurden zu einem äußerst kritischen Zeitpunkt in der Geschichte des Christentums geschrieben, und alle ihre Fragmente beziehen sich darauf.
Bevorstehender Abschied von PaulusNun, nehmt die Fragmente in ihrem Umfeld, und sie nehmen eine ganz neue Bedeutung, eine neue Bedeutsamkeit, an. Dann werdet ihr verstehen, warum es Paulus so ernst zu Mute ist - warum seine Appelle, seine Ermahnungen; sein wiederholtes «o du Mann Gottes», «o, Mann Gottes» (1. Tim. 6,11; 2. Tim. 3,17). Nun, stand eine Krise bevor? Ja, es gibt in den Briefen selbst genügend Beweise für diese Tatsache. Ihr könnt einige der Hinweise aufgreifen. Zuerst einmal solltet ihr bedenken, dass es die letzten Schriften des Apostels sind. Der zweite Brief ist möglicherweise das Letzte, was Paulus je schrieb, und er schrieb ihn wahrscheinlich nur wenige Stunden vor seiner Exekution. Paulus muss gehen, er verlässt diesen Schauplatz; Paulus persönlicher Dienst, in Wort und Schrift, kommt zu einem Ende. Es wird ein echter Verlust und eine echte Lücke entstehen, ein ungeheurer Verlust für die Gemeinde. Es ist eine Krise. Wenn Gott irgend einen seiner Diener hinwegnimmt, durch den er sein Volk auf eine reiche, volle Weise gesegnet hat, entsteht stets eine große Lücke, und diese Lücke wird nicht etwa kleiner, wenn die Zeit vergeht. Ihr werdet immer den Wunsch haben, dieser Diener Gottes käme zurück, um zu helfen; ihr werdet stets sagen: «Was würde er wohl sagen, was würde er tun?» Ich übertreibe diesen Punkt sicher nicht. Dieser Brief enthält genau das. Paulus sagt: «Bereits werde ich als Opfer dargebracht» (2. Tim. 4,6). Ist das eine Krise? Nun, wenn es eine ist - und es ist eine - dann brauchen wir etwas, Paulus, mit dem Gott dieser Situation begegnet. Der Herr muss uns bei dieser Wegbiegung verstärken.
Und diese Briefe tun das! Ihr könnt dies sehen, während wir weiterfahren. Aber nicht nur das - die Briefe offenbaren eine Abkehr von Paulus. Er ruft aus: «Ganz Asien hat sich von mir abgewandt» (1. Tim. 1,15). Und obwohl wir wissen, dass einige ihn verließen, weil es zu kostspielig wurde, bei ihm zu bleiben, und weil die Gefahr seines Todes jede Verbindung mit ihm überschattete, ist es schwierig, wenn man sich die Sache genau betrachtet, nicht den Schluss zu ziehen, die Abkehr von Paulus durch die Leute aus Asien sei aus lehrmäßigen Gründen geschehen. Ihr sagt natürlich: «Welchen Beweis kannst du dafür vorlegen?» Nun, die Beweislage ist überreich, und wir werden sie gleich darlegen. Es fand eine Abkehr von Paulus statt wegen seiner Lehren, wegen seiner Linie, die er verfolgte; wegen des Standards, den er errichtet hatte, wegen des Niveaus, auf dem er beharrte. Sie können mit Paulus nicht mehr mithalten, und das ist eine Krise. Etwas voraus eilend können wir sagen, dass das Ergebnis dieser Abkehr von Paulus in den ersten Kapiteln des Buches der Offenbarung betrachtet werden kann. Der Zustand eben der Gemeinden in Asien, die durch Paulus ins Dasein gebracht wurden, angefangen bei Ephesus, wo Timotheus Episkopos (Aufseher) war - Der Zustand jener Gemeinden in ersten Kapiteln der Offenbarung wird als Ergebnis von ihrer Abkehr von jenem Manne dargestellt, den Gott benutzt hat, um sie ins Dasein zu rufen. Es ist eine sehr kritische Angelegenheit, etwas fallen zu lassen, was Gott getan hat, euren Standard zu senken. Wir werden später darauf zurückkommen und zeigen, wie sehr der Standard gesenkt wurde. Es ist äußerst gefährlich, es stellt eine ungeheure Krisis dar, etwas zu schwächen, von dem Gott gezeigt hat, dass es sein Wille ist. So also verließen sie Paulus.
Geistlicher NiedergangUnd dann, seht auf die Veränderung in der Natur der Dinge, wie sie durch diese Briefe angezeigt wird. Sie sind randvoll von einem Senken des Niveaus des geistlichen Lebens, in jeder Hinsicht, ein Verlust an Spiritualität, ein Niedergang. Es ist eine Krisis. Ohne ins Detail gehen zu wollen, alles, was ich sagen möchte, ist dies: Wo Gott reichlich gegeben hat, wo Gott in irgend einer Fülle gegeben hat, wo Gott zu etwas mehr als bloß zum Nominellen gerufen und gezeigt hat, dass er geistliche Fülle im Sinn hat, dann ist die Gefahr ständig gegenwärtig, zu verlieren, fallen zu lassen, zu verfallen, auf ein geringeres Niveau abzustürzen, vielleicht wegen der Kosten, die durch das Weiterfahren entstehen, oder aus irgend einem andern Grund. Diese Gefahr ist stets gegenwärtig.
Nun kehre ich dorthin zurück, wo wir angefangen haben: Verstärkung. Der Herr ist stets bestrebt, unsere Spiritualität zu stärken, um uns vor diesen Bedrohungen und Gefahren zu schützen, denen wir stets gegenüber stehen, die nie fern von uns sind. Und ist es nicht beeindruckend, dass, wenn eine Zeit der Gefahr, des Übels, einer Bedrohung, einer Krise im geistlichen Leben eintritt, der Herr uns in einen solchen Zustand der Agonie, des Leidens, der Trübsal versetzt, dass wir eine vollständig neue Position bei ihm einnehmen müssen, oder wir kommen nicht durch? Wie treu ist er doch! Wegen einer Bedrohung, wegen einer Gefahr, kann er uns direkt in ein Meer von Schwierigkeiten und Prüfungen stürzen, um unsere Schwimmfähigkeit zu stärken, um uns zu einem volleren Maß zu bringen, so dass wir nicht mehr so leicht dort erwischt werden können. Wenn irgend etwas Ähnliches aufs neue auftaucht, werden wir es als das erkennen, was es ist, und wir wissen, dass wir uns auf den Füßen halten müssen, dass wir unser Gleichgewicht bewahren müssen, dass wir aufrecht bleiben.
So sind diese Briefe einfach voller Ermahnungen an Timotheus: «Sei stark», mit andern Worten «bleib fest»; «nimm Teil an den Trübsalen»; «ergreife das ewige Leben» - alles wegen dessen, was Timotheus in dieser ganzen Heilszeit bedeutet.
In Übereinstimmung mit dem Wunsch von T. Austin-Sparks, dass das, was er frei erhalten hat, weitergegeben und nicht gewinnbringend verkauft werden sollte und dass seine Botschaften Wort für Wort reproduziert werden, bitten wir Sie, diese Botschaften mit anderen zu teilen und frei anzubieten, um seine Wünsche zu respektieren - frei von jeglichen Änderungen, kostenlos (außer notwendigen Vertriebskosten) und mit dieser Erklärung inklusive.