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Das wunderbare Gleichgewicht im Leben des Herrn

von T. Austin-Sparks

Zuerst veröffentlicht in den Zeitschriften "A Witness and A Testimony", Jan-Feb 1947, Vol. 25-1. Originaltitel: "A Perfectly Balanced Life". (Übersetzt von Manfred Haller)

Wie ruhig war er doch, wie ausgeglichen! Nehmt zum Beispiel die Sache des Verstandes, des Herzens und des Willens, und ihr könnt feststellen, dass die drei bei Ihm vollkommen ausgeglichen waren. Von Natur aus sind wir sehr verschieden.

Ich glaube, man kann die Menschen im Großen gesehen in drei Klassen aufteilen. Da sind zum ersten einmal jene, die mehr als irgendwo sonst im Bereich ihres Kopfes angesiedelt sind. Sie sind auf die eine oder andere Weise ganz Kopf. Und wenn sie nicht intellektuell geprägt sind, haben sie eine andere Mentalität – sie sind in-sich-gekehrt, analysieren alles und drehen alles im Kopf; es ist alles ein einziges Denken, Rätseln, Grübeln, alles bewegt sich in diesem Bereich. Das ist ihr Hauptmerkmal. Ihr könnt es beinahe in ihren Gesichtern sehen. Es ist dieser ständige Versuch, alles mit ihrem Kopf zu durchdringen, was diese bestimmte Klasse mehr oder weniger charakterisiert.

Dann gibt es aber noch eine andere Klasse: Hier ist alles Herz, Gefühl, Emotion. Sie leben schlicht in ihren Gefühlen, vielleicht in verschiedenen Formen, aber dennoch in Gefühlen. Sie werden von ihren Gefühlen beherrscht, sie interessiert nur, wie die Dinge das Gebiet ihres emotionalen Lebens beeinflussen. Entweder sind sie im Hoch oder aber im Tief, ihr seid da nie sicher, aber eines wisst ihr: ob sie nun oben oder unten sind, sie werden von ihren Gefühlen regiert. Würden sie nur ein bisschen mehr nachdenken anstatt jedem Impuls zu folgen, dann wären sie ausgeglichener.

Die dritte Klasse sind Leute, die von ihrem Willen beherrscht werden, Leute voller Tatendrang, stark, sich durchsetzend. Manchmal ist der Wille unvernünftig. Sie hören nicht auf zu denken. Sie verspüren einen Drang, aber denken dann nicht an den Schaden, den sie dadurch bei sich selbst und andern Menschen anrichten. Ihr Wille überfährt das Gefühl; manchmal ist das recht gut, aber ganz nur Wille zu sein, diese ganze Art von Kraft, Bestimmtheit, dieser Griff und Gewaltsamkeit, o wie unerträglich ist das doch, und welchen Schaden kann es zuweilen anrichten!

Die Menschen lassen sich von Natur aus in diese Klassen einteilen, aber ihr könnt nichts von alle dem beim Herrn Jesus auf Erden finden. Zwar stellt ihr fest, dass Sein Wille zuweilen ziemlich stark in Erscheinung tritt, manchmal das Herz, manchmal der Verstand. Ja, der Verstand konnte hervortreten, und wer konnte Ihm da auf diesem Gebiet entgegentreten? Einige Seiner Antworten brachten die gescheitesten Zeitgenossen zum Schweigen, ja lähmte sie sogar. Betrachtet doch einige der Antworten, die Er gab, die Art, wie Er ein Problem behandelte. Da glaubten sie, sie hätten Ihn festgelegt, Er könne ihnen nicht mehr entkommen. Da macht Er eine simple Aussage – und die ganze Sache fällt in sich zusammen; sie hatten Ihn überhaupt nicht gekriegt!

Aber worauf es ankommt, ist folgendes: Auch wenn all diese Dinge (bei Ihm ebenfalls) vorhanden sind, so sind sie ausgeglichen. Da geht nie die Stärke des Willens auf Kosten der Empfindsamkeit. Da treten nie starke Gefühle auf zum Schaden rechter Strenge. Er erlaubt Seinem Herzen nicht, mit Seinem eigenen Urteil davon zu laufen. Er ist vollkommen ausgeglichen; und das ist eines der Dinge, die auch wir dringend brauchen. Und gerade dazu ist der Heilige Geist gekommen, und es ist eines der Dinge, die geschehen müssen, wenn ein Leben vom Heiligen Geist beherrscht wird. Es muss ein ausgeglichenes Leben werden, frei von jeder Einseitigkeit.

Alles Übergewichtige macht eine Sache ungleichmäßig. Zeichnet einen Kreis und teilt ihn in drei Segmente: «Verstand», «Herz», «Wille». Dann gib dem «Willen» einen Stoß und mach ihn etwas größer als Herz oder Verstand. Verwandle den Kreis in ein Rad und schau, wie gleichmäßig zu vorankommst – es ist die Ungleichmäßigkeit eines unausgeglichenen Lebens. Es macht das Gehen schwierig, schwerfällig und unbequem.

Betrachtet die ausgewogene Haltung im Wandel des Herrn auf dieser Erde. Was wir brauchen, ist dass der Geist Christi eingreifen und eine Angleichung an Ihn vornehmen kann; dass er uns so rekonstituieren kann, dass wir gleichmäßiger einhergehen, und nicht an einem Tag im Hoch und am nächsten Tag im Tief, veränderlich, schwankend, weil unser Seelenleben so unausgeglichen ist. Wir haben diesbezüglich noch einen langen Weg zu gehen, aber die Gleichförmigkeit mit Seinem Bild bedeutet unter anderem eben auch das, dass ein Gleichmaß in unser Leben hereingebracht wird, das uns von den furchtbaren Auswirkungen des Sich-Abmühens, des einseitigen Lebens mehr in einem als in einem andern Bereich der Seele befreit. Wir brauchen das. Manchmal singen wir: «Möge unser geordnetes Leben die Schönheit Deines Friedens bezeugen». Ich kann euch sagen, mich verlangt danach, nach diesem inneren, geordneten Leben.

Das ist der Grund, warum das Wort Gottes so oft betont, dass alles in der Gemeinde Christus gemäß sein sollte. Er persönlich ist der Neue Mensch; die Gemeinde, Sein Leib, ist «der eine, neue Mensch». Nun, hier in der Gemeinde möchte der Heilige Geist alles Christus gemäß einrichten, und wenn nun der alte Mensch mit seinem Zustand der Unausgeglichenheit in die Gemeinde herein kommt, und wenn infolge dessen einzelne in der Gemeinde sich in dieser Richtung bewegen und andere in einer anderen Richtung des natürlichen Lebens, des Verstandes, oder des Willens oder irgend einer anderen besonderen schöpfungsmäßigen Richtung, dann zerstören sie die Gemeinde; das heißt, sie verunmöglichen bereits ihre eigentliche Entstehung.

In der Gemeinde soll alles von Christus reden, und darum muss in der Gemeinde das, was Christus ist, ständig wachsen und die Oberhand über alles andere gewinnen. Darum muss in der Gemeinde eine äußerste Unterwerfung unter Christus als dem Haupt stattfinden. Genauso wie wir alle von unserem Kopf her leben und unser Charakter, unsere Natur, unsere Handlungen und unser Reden alle vom Kopf kontrolliert werden, so empfängt die Gemeinde ihre Natur von der Natur Christi. Was nun der Herr bekommen möchte, ist eine Gemeinde, die das zum Ausdruck bringt, was Christus ist – diese Ausgeglichenheit. Ja, Seine Kraft, aber auch Seine Liebe; Seine Wahrheit, aber auch Sein Licht; aber ebenso Sein Leben. O, wir können ein solches Übergewicht von Licht und Wahrheit haben, viel Kopf und wenig Herz.

Andererseits habe ich auch Gemeinschaften kennen gelernt, wo alles nur Herz ist; da fallen die Leute einander um den Hals mit überschwänglichen Worten so genannter Liebe, und dennoch wachsen sie nicht, sie kommen nie an einen Punkt, wo sie Verantwortung übernehmen. Es klingt und sieht aus wie Liebe, aber darunter fehlt etwas. Sie benötigen Unterweisung; sie brauchen Auferbauung.

Wenn der Leib fest zusammen gefügt und kompakt ist, wenn er ausgeglichen ist und zu einer richtigen Gliederung und Harmonie gebracht worden ist, indem er Seine Natur und Seinen Charakter von Christus herleitet und deshalb durch das regiert wird, was Er als der neu geschaffene Mensch ist, dann habt ihr das erreicht, wonach Gott trachtet. Und ihr könnt das in einer örtlichen Gemeinschaft und in örtlichen Gemeinschaften finden, die dadurch eben nicht zu Orten werden, die für irgend eine bestimmte Wahrheit einstehen, etwas, das sich von allen anderen Lehren unterscheidet, ständig auf der Suche nach etwas Außergewöhnlichem, weitab von dem, was allgemeine Anerkennung findet. Nein, ihr findet da ganz einfach eine Verkörperung und einen Ausdruck von Christus. Und das ist alles, was Gott will, und alles, was auch wir wollen. Wenn Leute uns als einer Gemeinschaft oder als einzelnen begegnen, dann stoßen sie auf etwas, das sie berührt. Dann werden sie sagen: Gäbe es nur mehr davon, dann würde die Welt ein anderer Ort sein; und doch ist das etwas so außerhalb jeder menschlichen Möglichkeit, dass nur Gott dies tun kann – das ist Gott! Es erfordert den allmächtigen Gott, und doch existiert es – hier; es berührt uns – wir merken, dass genau dies nötig ist.

O welche Tragödie diesbezüglich in diesen Tagen! Ihr hört fast täglich im Radio davon. Ihr stellt fest, dass die Literatur unserer Tage voll ist davon: von der Erkenntnis der Tatsache nämlich, dass, wären die Dinge nur auf einer Linie mit Christus, würde nur die Lehre Christi in die Tat umgesetzt, wenn nur Christus und was Er war wirklich hier vorhanden wäre und zum Ausdruck gebracht würde, die Welt so ganz anders wäre! Ihr findet eine Menge von Feststellungen und Anerkennung dieser Tatsache; auf der andern Seite fangen die Menschen sofort an zu sagen: Gut, befassen wir uns damit; wir wollen dies und jenes tun, um es zustande zu bringen. Sie merken nicht, dass dies ein Wunder vom Himmel ist, und dass es nur durch eine Geburt einsteht, durch eine Neuerrichtung, durch das Fiat einer neuen Schöpfung. An dieser Stelle befindet sich der Graben, die ganze Tragödie; und die Menschen fallen zwischen beide.

Doch wir wissen es besser: Da ist Er, und da ist Sein Geist, um es zu vollbringen. Es scheint, dass dafür eine lange Zeitspanne nötig ist. Auch nur schon ein kleines Stück Gleichförmigkeit mit Seinem Bild scheint fast die ganze Lebenszeit zu beanspruchen. Dennoch tut Er etwas; es macht einen großen Unterschied, wenn wir Christus haben. Vieles verändert sich, weil Christus auf den Plan getreten ist, das wissen wir. Und es werden noch größere Veränderungen folgen. Schließlich, was immer wir über die Armseligkeit der Zustände in der Gemeinde sagen mögen, die Welt wäre ein trauriger Ort, würde man das Volk Gottes aus ihr herausnehmen; und das wird sie auch sein, wenn es abgeholt worden ist. Da ist etwas, das nicht von dieser Welt ist, und die Welt braucht es dringend.

Möge der Herr uns helfen, Christus zu sehen und ständig zu Ihm zu kommen wegen dieser Gleichförmigkeit mit Seinem Bild – wegen dieses Aufnehmens des Geistes Christi, dieser inneren Rekonstituierung nach dem Sohn des Menschen, einer neuen Schöpfung in Christus Jesus.


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